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Mittwoch, 12. Dezember 2007
Der jährliche Amoklauf
lachkatze, 12:06h
Heute ist es soweit, heute ist der 12.12. und heute kommt endlich der angekündigte Amokläufer in die Schule der beiden Großen.
Die Vorbereitungen, die die Schule für seinen Empfang getroffen hat, sind immens, es wird sicherlich ein voller Erfolg, vor allem für die Schüler, denn die Schulleitung hat es den Eltern per Rundschreiben freigestellt, ob sie ihre Kinder an diesem Tag in die Schule schicken oder nicht.
Meine hatten Pech, meine mussten gehen, da ich mir den Live-Bericht von Augenzeugen nicht entgehen lassen will und nun gespannt auf ihren Anruf warte, was denn da so abgeht.
Gestern haben wir schon mal gemeinsam den auf der Rückseite des Elternrundschreibens abgedruckten Plan "Verhalten in Gefahrensituationen" geübt, da ist alles en detail geregelt, selbst die Lageskizze für den "Sammelplatz der Eltern" (drei Straßen weiter und freundlicherweise gleich neben einem guten Café) fehlt nicht, ich überlege, ob ich mir dort schon mal einen Tisch reservieren lassen, denn auch wenn es ein großes Café ist, so reicht der Platz nicht für über 1.000 Eltern.
Hintergrund: Es wurden auf vier Tischen in der Schule "Tischschmierereien" gefunden, die sich mit dem Datum des 12.12. und in einem Fall auch mit dem Wort "Amoklauf" beschäftigten. Auf dem "Amoklauftisch" hatte dann wohl jemand Anderes (zweite Schrift) noch das Wort "hier" vermerkt und seitdem ist die Sachlage ernst.
Einer der anderen drei Tischbeschrifter (auf den Tischen stand immer nur das Datum) wurde gefunden, in den anderen Fällen werden die Verantwortlichen noch gesucht. In der gesamten Stadt sind im übrigen vier Schulen heute betroffen, überall tauchte dieses Datum in Tisch- und Wandschmierereien auf, die Polizei zeigt deshalb heute an allen Schulen verstärkt Präsenz.
Natürlich besteht ein Restrisiko, dass irgendwo ein durchgeknallter Balleraffe das tatsächlich ernst meint und heute zum Großangriff rüstet, gleichzeitig wird mir aber auch etwas mulmig bei dem Gedanken, wie leicht es mittlerweile ist, die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen.
Dass die Wahrscheinlichkeit auf dem Schulweg im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken ungleich höher ist, als von einem Amokläufer niedergemäht zu werden, die nimmt jeder achselzuckend hin. Gegen Straßenverkehr kann man halt nix machen, das ist Alltag, da muss man durch. Aber so ein Amokläufer, da wird ein Riesenwirbel veranstaltet und rein prophylaktisch bleibt man da wohl am besten einfach im Bett.
Was ist das für ein seltsames Verhalten, das die Menschen treibt, bei neuen Gefahren in wilde Panik zu verfallen, sich mit bekannten Alltagsgefahren, die wesentlich eher und öfter eintreffen, aber locker zu arrangieren?
Die neue Gefahr wird diskutiert und dringt damit voll ins Bewusstsein, während "alte" Gefahren üblicherweise erfolgreich verdrängt werden.
Angst ist damit völlig irrational und wenn man darüber nachdenkt, bemerkt man, wie leicht man sich dadurch manipulieren lassen kann.
Ich habe die Situation gestern mit den Kindern besprochen und sie auch gefragt, wie sie es denn "objektiv" beurteilen (dass sie subjektiv keinen Bock hatten, heute in die Schule zu gehen, ist logisch). Da erst wurde ihnen klar, in welche Abhängigkeiten man gerät, wenn man Teil einer Gruppe ist und wie "Massenhysterie" entstehen kann.
Das ganze hängt auch mit dem Begriff "Verantwortung" zusammen. Ich trage als Mutter heute die Verantwortung, meine Kinder bewusst und vorsätzlich diesem Risiko auszusetzen. Wenn ich jetzt so darüber schreibe, merke auch ich, dass da plötzlich ein leichtes Ziehen im Bauch aufkommt und ich denke, in Ansätzen kann ich die anderen Eltern natürlich schon verstehen.
Aber eben nur in Ansätzen, denn wenn ich immer nur den bequemsten Weg oder den Weg des geringsten Widerstandes gehe, dann können wir unsere Welt sowieso in Windeseile vergessen. Wenn ich mich bedenken- und vor allem kritiklos so leicht der Masse anpasse und einer Manipulation von außen damit Tor und Tür öffne, dann brauche ich mich auch nicht über die Zerstörung der Umwelt oder die Massenspeicherung von Daten aufzuregen. Dann sollte ich auch einer Diktatur zustimmen, die nimmt mir das eigenverantwortliche Denken gleich komplett ab.
Natürlich ist es einfacher, sich gegen Datenspeicherung zu wehren oder gegen das Baumsterben zu protestieren - denn da geht man kein eigenes Risiko ein und übernimmt damit auch selber keine Verantwortung für sein Verhalten.
Nach ausführlicher Diskussion haben aber selbst die beiden Kinder, die zusätzlich ja noch das höchst private Interesse an einem schulfreien Tag hatten, begriffen, was es bedeutet, wenn sie heute "trotz Gefahr" in die Schule gehen.
Sie setzen nämlich ein Zeichen. Ein Zeichen gegen die zerstörerische Manipulation von außen. Ein Zeichen, dass wenigstens sie sich weigern, ihren Verstand und ihre Kritik bedenkenlos an der Garderobe abzugeben und andere bestimmen zu lassen.
Gefreut habe ich mich, als dem Großen plötzlich Parallelen auffielen. Dass es vor rund 80 Jahren auch eine Situation gab, wo ein einzelner Mensch geschickt die Gefühle der Masse ausgenutzt hat und sie so langsam aber stetig in seine Richtung trieb und damit dem kompletten Verderben auslieferte. Da ging es sicherlich um komplett andere Gefühle und andere Interessen, aber das Prinzip dahinter ist das gleiche: Da spielt jemand mit den Gefühlen der Menschen - und ob die nun Angst, Frust oder Hoffnungslosigkeit heißen ist dann egal, da spielt jemand und die Menschen lassen sich willig zum Spielzeug machen.
Ich bin stolz darauf, dass die beiden heute freiwillig und bewusst zur Schule gegangen sind und helfe ihnen gerne, ihre natürlich trotzdem latent vorhandenen Ängste mit lockeren Sprüchen zu verdrängen:
Wenn dieses Ereignis von der Schule doch nun schon einmal derart akribisch und generalstabsmäßig perfekt durchgeplant ist - könnte man es doch zu einem festen Bestandteil des Schulablaufs machen. Es gibt ja schon die jährliche Wohltätigkeitswanderung, warum dann nicht auch den jährlichen Amoklauf?
Sollten wir unbedingt in der nächsten Schulkonferenz als Antrag auf die Tagesordnung setzen.
Als separaten
Punkt
.
Die Vorbereitungen, die die Schule für seinen Empfang getroffen hat, sind immens, es wird sicherlich ein voller Erfolg, vor allem für die Schüler, denn die Schulleitung hat es den Eltern per Rundschreiben freigestellt, ob sie ihre Kinder an diesem Tag in die Schule schicken oder nicht.
Meine hatten Pech, meine mussten gehen, da ich mir den Live-Bericht von Augenzeugen nicht entgehen lassen will und nun gespannt auf ihren Anruf warte, was denn da so abgeht.
Gestern haben wir schon mal gemeinsam den auf der Rückseite des Elternrundschreibens abgedruckten Plan "Verhalten in Gefahrensituationen" geübt, da ist alles en detail geregelt, selbst die Lageskizze für den "Sammelplatz der Eltern" (drei Straßen weiter und freundlicherweise gleich neben einem guten Café) fehlt nicht, ich überlege, ob ich mir dort schon mal einen Tisch reservieren lassen, denn auch wenn es ein großes Café ist, so reicht der Platz nicht für über 1.000 Eltern.
Hintergrund: Es wurden auf vier Tischen in der Schule "Tischschmierereien" gefunden, die sich mit dem Datum des 12.12. und in einem Fall auch mit dem Wort "Amoklauf" beschäftigten. Auf dem "Amoklauftisch" hatte dann wohl jemand Anderes (zweite Schrift) noch das Wort "hier" vermerkt und seitdem ist die Sachlage ernst.
Einer der anderen drei Tischbeschrifter (auf den Tischen stand immer nur das Datum) wurde gefunden, in den anderen Fällen werden die Verantwortlichen noch gesucht. In der gesamten Stadt sind im übrigen vier Schulen heute betroffen, überall tauchte dieses Datum in Tisch- und Wandschmierereien auf, die Polizei zeigt deshalb heute an allen Schulen verstärkt Präsenz.
Natürlich besteht ein Restrisiko, dass irgendwo ein durchgeknallter Balleraffe das tatsächlich ernst meint und heute zum Großangriff rüstet, gleichzeitig wird mir aber auch etwas mulmig bei dem Gedanken, wie leicht es mittlerweile ist, die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen.
Dass die Wahrscheinlichkeit auf dem Schulweg im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken ungleich höher ist, als von einem Amokläufer niedergemäht zu werden, die nimmt jeder achselzuckend hin. Gegen Straßenverkehr kann man halt nix machen, das ist Alltag, da muss man durch. Aber so ein Amokläufer, da wird ein Riesenwirbel veranstaltet und rein prophylaktisch bleibt man da wohl am besten einfach im Bett.
Was ist das für ein seltsames Verhalten, das die Menschen treibt, bei neuen Gefahren in wilde Panik zu verfallen, sich mit bekannten Alltagsgefahren, die wesentlich eher und öfter eintreffen, aber locker zu arrangieren?
Die neue Gefahr wird diskutiert und dringt damit voll ins Bewusstsein, während "alte" Gefahren üblicherweise erfolgreich verdrängt werden.
Angst ist damit völlig irrational und wenn man darüber nachdenkt, bemerkt man, wie leicht man sich dadurch manipulieren lassen kann.
Ich habe die Situation gestern mit den Kindern besprochen und sie auch gefragt, wie sie es denn "objektiv" beurteilen (dass sie subjektiv keinen Bock hatten, heute in die Schule zu gehen, ist logisch). Da erst wurde ihnen klar, in welche Abhängigkeiten man gerät, wenn man Teil einer Gruppe ist und wie "Massenhysterie" entstehen kann.
Das ganze hängt auch mit dem Begriff "Verantwortung" zusammen. Ich trage als Mutter heute die Verantwortung, meine Kinder bewusst und vorsätzlich diesem Risiko auszusetzen. Wenn ich jetzt so darüber schreibe, merke auch ich, dass da plötzlich ein leichtes Ziehen im Bauch aufkommt und ich denke, in Ansätzen kann ich die anderen Eltern natürlich schon verstehen.
Aber eben nur in Ansätzen, denn wenn ich immer nur den bequemsten Weg oder den Weg des geringsten Widerstandes gehe, dann können wir unsere Welt sowieso in Windeseile vergessen. Wenn ich mich bedenken- und vor allem kritiklos so leicht der Masse anpasse und einer Manipulation von außen damit Tor und Tür öffne, dann brauche ich mich auch nicht über die Zerstörung der Umwelt oder die Massenspeicherung von Daten aufzuregen. Dann sollte ich auch einer Diktatur zustimmen, die nimmt mir das eigenverantwortliche Denken gleich komplett ab.
Natürlich ist es einfacher, sich gegen Datenspeicherung zu wehren oder gegen das Baumsterben zu protestieren - denn da geht man kein eigenes Risiko ein und übernimmt damit auch selber keine Verantwortung für sein Verhalten.
Nach ausführlicher Diskussion haben aber selbst die beiden Kinder, die zusätzlich ja noch das höchst private Interesse an einem schulfreien Tag hatten, begriffen, was es bedeutet, wenn sie heute "trotz Gefahr" in die Schule gehen.
Sie setzen nämlich ein Zeichen. Ein Zeichen gegen die zerstörerische Manipulation von außen. Ein Zeichen, dass wenigstens sie sich weigern, ihren Verstand und ihre Kritik bedenkenlos an der Garderobe abzugeben und andere bestimmen zu lassen.
Gefreut habe ich mich, als dem Großen plötzlich Parallelen auffielen. Dass es vor rund 80 Jahren auch eine Situation gab, wo ein einzelner Mensch geschickt die Gefühle der Masse ausgenutzt hat und sie so langsam aber stetig in seine Richtung trieb und damit dem kompletten Verderben auslieferte. Da ging es sicherlich um komplett andere Gefühle und andere Interessen, aber das Prinzip dahinter ist das gleiche: Da spielt jemand mit den Gefühlen der Menschen - und ob die nun Angst, Frust oder Hoffnungslosigkeit heißen ist dann egal, da spielt jemand und die Menschen lassen sich willig zum Spielzeug machen.
Ich bin stolz darauf, dass die beiden heute freiwillig und bewusst zur Schule gegangen sind und helfe ihnen gerne, ihre natürlich trotzdem latent vorhandenen Ängste mit lockeren Sprüchen zu verdrängen:
Wenn dieses Ereignis von der Schule doch nun schon einmal derart akribisch und generalstabsmäßig perfekt durchgeplant ist - könnte man es doch zu einem festen Bestandteil des Schulablaufs machen. Es gibt ja schon die jährliche Wohltätigkeitswanderung, warum dann nicht auch den jährlichen Amoklauf?
Sollten wir unbedingt in der nächsten Schulkonferenz als Antrag auf die Tagesordnung setzen.
Als separaten
Punkt
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